Aktuelles

| Von Dr. Hanno Heil

„Corona – was dann?“

Impulse und Interviews der PTHV zur Corona-Krise

Auch wenn die aktuelle Zeit in der Corona-Krise einige gravierende Einschränkungen mit sich bringt, so bietet sie auch Chancen über christliche Werte, Begriffe wie Solidarität, Nächstenliebe oder Dankbarkeit (neu) nachzudenken und hebt die Wichtigkeit (guter) Pflege nochmal auf eine neue Bedeutungsebene. Die Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar (PTHV) bildet an zwei Fakultäten – Theologie und Pflegewissenschaft – Menschen aus, die insbesondere auch in der aktuellen Situation, elementare Stützen der Gesellschaft darstellen: Seelsorgerinnen und Seelsorger, Priester, theologisches Fachpersonal, Pflegefachpersonal, Forschende in den Bereichen Weiterentwicklung guter Pflege sowie Lehrerinnen und Lehrer in beiden Fakultäten.

Mit den ab sofort regelmäßig erscheinenden Impulsen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beider Fakultäten liefert die PTHV auf innovative Weise geistige Anregungen zu drängenden Fragen im Rahmen der Corona-Krise für Kirche, Gesellschaft und Politik und macht dadurch indirekt auf die Studienangebote und Themenfelder an der PTHV aufmerksam.

Impuls von:

Dr. Hanno Heil, Lehrbeauftragter für Pastoraltheologie und Diakonische Theologie an der PTHV

Die Welt ist heute eine andere als zum Jahresbeginn. Eine Pandemie, die – nicht ohne Vorwarnungen – aber letztlich für die meisten von uns völlig unerwartet den gesamten Globus in den Griff genommen hat, verändert unser Leben. Erzwungene Veränderungen treffen uns hart, anders als selbst initiierte Veränderungen. Aber mit den gesellschaftlichen Veränderungen auf eigene Initiative tun wir uns schwer, obwohl wir wissen, dass sich etwas ändern müsste, damit wir keine weiteren dramatischen Krisen produzieren oder verstärken: den Klimawandel, soziale Verwerfungen infolge von Ungleichverteilung von Wohlstand und Entwicklungschancen, die toxische Vermüllung der Meere und Kontinente, konventionelle und atomare kriegerische Auseinandersetzungen usw..

Wir lernen angesichts einer großen Herausforderung, welche die gesamte Menschheit gleichermaßen betrifft, erneut, worauf es ankommt, wenn es um‘s Ganze geht. Eine solche Extremsituation im Kleinen war der legendäre Schneesturm am Donnerpass. Siedler auf ihrem Weg in den Westen der USA blieben im Jahr 1846 in diesem Unwetter stecken und kämpften monatelang um ihr Leben. Die meisten Männer, darunter viele alleinstehende Abenteurer, starben. Die meisten Frauen und Kinder in Familienverbünden überlebten, denn sie lebten in enger familialer Solidarität. Wertgebundene, von starken gegenseitigen Beziehungen getragene Kollektive, das lässt sich aus diesem Beispiel lernen, haben höhere Chancen zu überleben (vgl.: F. Schirrmacher, Minimum: Vom Vergehen und Neuentstehen unserer Gemeinschaft, 2006). Und dies beweist sich auch in zahlreichen wissenschaftlichen Studien, die zeigen, dass für den Gesamterfolg eines Systems Solidarität und FairPlay wertvoller sind, als Egoismus und Konkurrenz.

Die Narrative des Neoliberalismus erzählen dagegen vom hohen Wert der Konkurrenz, von der Durchsetzungskraft der Starken und Leistungswilligen und bewerten Erfolg vor allem an monetärem Zugewinn. Aber Geld ist in Schneestürmen kein entscheidendes Mittel; und bei der Überwindung von Corona ist Geld allenfalls ein Hilfsmittel unter anderen. Entscheidend ist die Bereitschaft zur Solidarität untereinander, um die Ansteckung zu bremsen und zur ehrlichen Transparenz zwischen den Staaten, um der Wissenschaft ein Verständnis dieser Krankheit zu ermöglichen, auf dem sie Gegenstrategien aufbauen kann.

Egoismus zahlt sich aber doch aus, so ein Glaubenssatz des neoliberalen Credos. Ja, das stimmt, aber wenn es um‘s Ganze geht, eben in negativer Bilanz. Eindrücklich illustriert dies Stefan Roth in einer Karikatur, in der ein verängstigter Amerikaner dem auf ihn zukommenden Sensemann die Frage entgegenschreit: „Why us?“ – welche jener mit „America first!“ beantwortet: roth-cartoons.de/projekt/corona-america-first/

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich weltweit ein auf Egoismus (Privatisierung) und Konkurrenz (Wettbewerb) basierendes kapitalistisches Wirtschaftsmodell aufgebläht. Die Schwächen dieses Modells werden immer deutlicher. Nicht erst jetzt in der Krise beschäftigen sich viele Menschen mit der Frage, welches Wirtschafts- und Gesellschaftssystem dieses Modell ablösen wird. Das Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) entstand aus der Vision heraus, Mensch und Umwelt wieder in den Mittelpunkt des ökonomischen Handelns zu bringen. Wirtschaftlicher Erfolg soll sich nicht rein monetär an Finanzbilanzen und dem Bruttoinlandsprodukt messen. Stattdessen sollen Werte, die das Gemeinwohl fördern, in einer sogenannten Gemeinwohl-Bilanz erfasst werden.

Mitte Mai wird das an unserer Hochschule betreute Heft der DIAKONIA – Internationale Zeitschrift für die Praxis der Kirche zum Thema „Gemeinwohl“ erscheinen. An dem Heft haben auch eine Studierende der PTHV und Mitglieder der Regionalgruppe Gemeinwohl-Ökonomie Koblenz/Mittelrhein mitgewirkt, welche sich regelmäßig an der PTHV trifft. Es enthält Artikel von Timo Meynhardt, Christian Felber, Andreas Neukirch und weiteren Promotoren der Idee einer am Gemeinwohl orientierten Gesellschaft und Wirtschaft. Wir hätten uns vor Monaten nicht denken können, welche Aktualität dieses Heft bekommen würde. Heute gehen die letzten Korrekturen an den Verlag.

Bestellungen sind möglich über: https://www.herder.de/diakonia/

In den kommenden Monaten und Jahren wird unsere Gesellschaft eine lange nicht mehr gekannte Phase der Umgestaltung durchmachen. Sorgen wir dafür, dass diese Transformation sich an den Werten des Gemeinwohls, an Menschenwürde, Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitbestimmung, Solidarität und Gerechtigkeit orientiert! Und initiieren wir diese Umgestaltung bevor wir in eine weitere, vielleicht noch größere Krise geraten!

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