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| Von Verena Breitbach

„Familie, Beruf und Pflege unter einen (neuen) Hut bringen“

2. Akademietag der Pallottiner Vallendar

Sich Antworten auf die Frage „Wie kann es gelingen, Familie, Beruf und Pflege unter einen (neuen) Hut zu bringen?“ zu nähern, war das Anliegen des 2. Akademietages der Pallottiner Vallendar. Das Idealbild, wie es etwa im asiatischen Raum noch häufig gelebt werde, dass Menschen von Angehörigen bis zuletzt gepflegt werden, sei hierzulande aktuell nicht mehr umsetzbar, wie Prof. Dr. Paul Rheinbay SAC, Leiter des Instituts für Wissenschaftliche Weiterbildung an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar (PTHV), einführend feststellte. „In der westlichen Welt ist das Thema Pflege oft mit Überforderung verbunden.“ Dies liege an dem Spannungsverhältnis Familie – Beruf – Pflege. Insbesondere pflegende Frauen seien zerrissen zwischen den Verpflichtungen; auch stationäre Einrichtungen kämen an ihre Grenzen.

Wechselwirkungen zwischen Berufstätigkeit und häuslicher Pflege

„Wir untersuchen in der Pflegewissenschaftlichen Fakultät u.a. auch die Situation pflegender Angehöriger und entwickeln und bewerten Konzepte und Ansätze zu ihrer Beratung, Unterstützung und Entlastung“, sagte Prof. Dr. Frank Weidner, Lehrstuhl Pflegewissenschaft der PTHV und Direktor des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung (DIP) e. V., welches einen Zweitstandort an der PTHV unterhält. In seinem Vortrag befasste er sich mit der Situation pflegender Angehöriger insbesondere im Hinblick auf die Wechselwirkungen zwischen ihrer Berufstätigkeit und den Aufgaben in der häuslichen Pflege. Dies machte er an aktuellen Daten der Pflegeversicherung transparent, die den steigenden Pflegebedarf – insbesondere von Zuhause aus – belegen. Bereits Statistiken von 2012 zeigten auf, dass überwiegend (80%) Frauen Angehörige pflegen. Von diesen seien 39% berufstätig, davon 47 % in Vollzeit beschäftigt. Damit einher gehe eine hohe gesundheitliche Belastung. „Es ist ein Irrglaube, dass Pflege Zuhause nichts kostet, denn es kostet die eigene Gesundheit.“

Bestehende gesetzliche Rahmenbedingungen zur Unterstützung nutzen

In Folge verwies Prof. Weidner auf die bereits bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen, Leistungsansprüche sowie innovative betriebliche Ansätze und Möglichkeiten, damit die Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf besser gelingen kann. „Aber es gibt eine große Anzahl pflegender Angehöriger, die nicht über ihre Leistungsansprüche informiert sind“. Zudem überschätzten pflegende Angehörige nicht selten ihre Ressourcen, Angebote seien nicht immer erreichbar, das zinslose staatliche Darlehen für Pflegende, die eine Zeit lang aus ihrem Beruf aussteigen, werde nur selten genutzt. „Pflegende Angehörige fühlen sich häufig alleingelassen und überfordert in ihrer Situation. Sie brauchen dann jemanden, der ihnen zur Seite steht und ihnen erklärt, wie es weitergehen kann“, so Prof. Weidner. Er wies noch hin auf die Vereinbarung zur Fachkräfte- und Qualifizierungsinitiative Pflege 2.0 in Rheinland-Pfalz (FQI Pflege 2.0), bei der die Landesregierung in Rheinland-Pfalz zusammen mit mehr als 30 Organisationen (darunter auch die PTHV) aus dem Gesundheitswesen und der Pflege im Land gemeinsame Ziele und konkrete Maßnahmen zur Fachkräftesicherung in der Pflege bis zum Jahr 2022 vereinbart hat. Im Blick auf die Politik nannte Prof. Weidner folgende Postulate: die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung, eine Bürgerversicherung sowie eine Klärung der Rolle der Kommunen.

Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe ansehen

Joachim Speicher, Abteilungsleiter im Mainzer Sozialministerium, stellte in seinem Vortrag die Frage nach der Sorgearbeit: Wer übernehme diese im Detail? Dabei spielten insbesondere folgende Dimensionen eine Rolle: nicht mehr an einem Ort zusammen lebende Familienangehörige; sich wandelnde familiäre Strukturen und gesellschaftliche Rollenbilder. Diesen Themen stelle man sich auch im Sozialministerium. Dabei sei festzustellen, dass 2/3 der Menschen ausschließlich das Pflegegeld, also ohne professionelle Hilfe, in Anspruch nähmen. Dies verweise darauf, dass die Menschen eine Sehnsucht nach Autonomie, einer Pflege Zuhause, haben. „Die dazu notwendigen Strukturen wachsen mit, aber unterschiedlich schnell und bedarfsdeckend.“ Das müsse wieder in den Kommunen erfolgen. Professionelle Hilfe werde zwar benötigt, aber auch Angebote, wenn die professionelle Pflege gerade nicht greifbar sei. Hier stelle sich die Frage nach einem Mix aus professionellen und ehrenamtlichen Kräften, etwa Nachbarschaftshilfe. Sein Fazit: Es müsse sich ein Kulturwandel vollziehen, der Bewusstsein und Haltung schaffe, da Pflege nicht mehr nur eine Aufgabe der Familie sei, sondern der gesamten Gesellschaft.

In der sich anschließenden Podiumsdiskussion, die von Sandra Postel, Leiterin der Bildungseinrichtungen der Marienhaus Holding GmbH, geleitet wurde, waren ehrenamtliches Engagement und Kommunalpolitik vorrangiges Thema. Uli Schmidt, Initiator des „Sozialen Forums Montabaur“, eines Netzwerkes von Ehrenamtlichen im Westerwald, und Mitarbeiter im Sozialministerium in Mainz, zeigte nachdrücklich auf, was es braucht, um die Lebensqualität alter Menschen zu fördern. Mit der von ihm gegründeten Initiative „555 Schritte“ hält er hochaltrige Menschen fit. Als weitere wichtige Faktoren nannte er Nachbarschaftshilfe, alternative Wohngemeinschaften, Betreuungsregelungen, wohnungsnahe Tagespflege sowie Veranstaltungen in Altenheimen, die auch jüngere die Schwellenangst zu Altenheimen überwinden lassen. Sein Wunsch wäre es, Pflegestützpunkte weiterzuentwickeln zu breit aufgestellten Senioren-Hilfestellen, um diese bekannter zu machen.

Frau Martina Beyrowski-Krause vom Pflegestützpunkt Vallendar/Bendorf machte darauf aufmerksam, dass jeder Fall individuell betrachtet werden müsse, denn es stelle sich stets die Frage nach dem Grad des Hilfebedarfs, Hilfsmöglichkeiten durch Verbesserung der Wohnsituation, barrierefreiem Wohnen Zuhause, familiären Aspekten, finanziellen Möglichkeiten, der beruflichen Situation sowie den schon vorhandenen Hilfen. Sie wünscht sich für die Zukunft weniger Hürden durch die Bürokratie. Von Seiten des Publikums gab es Rückfragen zum Projekt „Gemeindeschwester Plus“, zur menschlichen Seite bei der Weiterentwicklung der Pflege, zu konkreten Selbsthilfegruppen in Vallendar sowie zu Fortbildungsveranstaltungen für pflegende Angehörige.

Die Akademietage werden in gemeinsamer Trägerschaft mit der Katholischen Erwachsenenbildung Fachstelle Koblenz und der Katholischen Erwachsenenbildung der Bildungswerke Westerwald und Rhein-Lahn geplant und umgesetzt. Nach den Veranstaltungen ist Gelegenheit zur Teilnahme an der sonntäglichen Vorabendmesse gegeben. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Der Eintritt ist frei; die Veranstalter bitten um Spenden.

(v.l.n.r.) Prof. Dr. Paul Rheinbay SAC, Prof. Dr. Frank Weidner, Uli Schmidt, Joachim Speicher, Martina Beyrowski-Krause, Sandra Postel, Prof. Dr. Dr. Holger Zaborowski

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