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Liturgie im synodalen Wandel
Weder an der Gestalt der Kirche noch an der Liturgie, die sie feiert, gehen die Wandlungsprozesse unserer Zeit einfach so vorüber. Für die Kirche wäre es klug, mit ihnen umzugehen und mitzugestalten, was ihr an Herausforderungen aufgetragen ist. Genau darum ging es bei der pastoralliturgischen Tagung „Liturgie im synodalen Wandel“, die am 18.11.2023 an der Vinzenz Pallotti University stattgefunden hat. Insgesamt 26 Interessierte haben an der Tagesveranstaltung teilgenommen. Die beiden Referate des Tages wurden von Prof. em. DDr. Paul Michael Zulehner (Wien) und Prof. Dr. habil Wolfgang Beck (Frankfurt, Sankt Georgen) gehalten.
„Ein neues Bewusstsein ist erwacht für die Mitverantwortung und die Mitgestaltung bei kirchlichen Entscheidungen, was sich auch auf die Liturgie auswirkt“, stellte Prof. Dr. Andreas Redtenbacher in seiner Eröffnungsworten fest. Prof. em. DDr. Paul Michael Zulehner hielt den ersten Vortrag unter dem Titel „Ecclesia de Eucharistia auf dem pastoralen Prüfstand“.
Die Eucharistie müsse eine den Menschen umzuwandelnde Kraft entfalten können. Gottesdienste bräuchten eine gläubige Tiefe, aber auch die Beteiligung möglichst vieler. Als Zulehner kürzlich vertretungsweise einen Gottesdienst übernommen hatte, sagte er der Gemeinde: „Ich danke Ihnen, dass Sie mich zu Ihrer Eucharistiefeier eingeladen haben, in der ich konzelebrieren darf.“ Das sei eine sinnvolle Umkehrung im Sinne des neuen synodalen Denkens.
Angesichts der allgegenwärtigen pastoralen Not seien die bisherigen Maßnahmen vieler Diözesen, pastorale Räume auszuweiten, nach Meinung vieler Experten nicht ausreichend, dem dreifachen Mangel an Priestern, Geld und Gläubigen abzuhelfen.
Der emeritierte südafrikanische Bischof Fritz Lobinger habe als Lösung der Krise ein Modell favorisiert, auf das Erwin Kräutler, der Bischof von Xingu (Brasilien, Amazonasgebiet), in der Amazonassynode Bezug genommen hatte. Nach diesem Modell sollten neben dem regulären Priesteramt „erprobte Personen“ aus den Gemeinden ordiniert werden können, die reiche Erfahrung in einer lebendigen Gemeindepraxis gesammelt haben. So könne dann eine neue Form des priesterlichen Dienstes entstehen. Papst Franziskus habe vorsichtig mit diesem Vorschlag sympathisiert, wie einer Pressekonferenz auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Panama zu entnehmen war (siehe hier: ogy.de/vd1e). Einerseits bestärkte der Papst seinen Willen zur Erhaltung des Pflichtzölibats für das reguläre Priesteramt, andererseits sehe er auch die pastorale Not eines großen „eucharistischen Hungers“. Im Anschluss an die Synode habe Papst Franziskus aber festgehalten, über dieses Anliegen der Bischöfe aus Amazonien jetzt noch nicht zu entscheiden.
Eine rasche („herkömmliche“) Weihe der „erprobten Männer“ würde Lobinger ebenso wie Papst Franziskus ablehnen. Das würde nur ein antiquiertes Kirchenbild bestärken. Eine Pfarrei definiere sich schließlich nicht durch die Präsenz eines Pfarrers, sondern sie müsse dort gedacht werden, wo eine lebendige Gemeinde vorhanden sei. Entsprechend stehe im Mittelpunkt des von Lobinger vorgeschlagenen Modells ein Team von ordinierten Gemeindepriestern ähnlich dem Presbyterium der alten Kirche. Ein so gedachte Volk-Gottes-Kirche sei die Umsetzung des Synodalisierungsprozesses der Kirche, das Herzstück dieses Prozesses sei aber sei die Synodalisierung der Liturgie.
In der Diskussion zu seinem Beitrag wurde über die vielfach von Angst geleiteten Positionen gesprochen, die in manchen Leitungsebenen erkennbar seien und die Veränderungen verhindern würden. Bei aller Klage über Abbruch und Verkleinerung solle aber nicht von oben herunter, sondern von unten herauf gedacht werden und ausgehend von dem, was erst noch im Entstehen ist.
Das zweite Referat hatte Prof. Dr. Wolfgang Beck von der PTH St. Georgen übernommen. Alle Grundvollzüge des kirchlichen Lebens – also auch die Liturgie – seien für ihn als öffentliches Handeln zu begreifen. Damit Kirche wahrnehmbar sei, sei es nötig, die Relevanz des liturgischen Handelns für den heutigen Menschen zu erhöhen. Es reiche hierbei nicht, nur ein paar aktuelle Themen in den Fürbitten aufzugreifen. Kirche dürfe sich nicht als von der Gesellschaft der Gegenwart getrennt und als ihr Gegenüber verstehen.
Nach den Ergebnissen der jüngsten Studie der EKD zur Kirchenmitgliedschaft werden die Kontakte zu kirchlichen Einrichtungen von vielen als eher relevant für den Lebensalltag eingestuft als für den persönlichen Glauben. Es scheint entscheidend zu sein, dass Menschen von einer kirchlichen Veranstaltung sagen: Das ist irgendwie ein Gewinn für mich.
Heutige Liturgie wirke aber dagegen oft sehr „aus der Zeit gefallen“. Die Erfahrungen der Fremdheit liturgischer Handlungen und liturgischer Sprache führten nicht zu einer besonders sakralen Wahrnehmung, sondern was geschieht, wirke vor allem skurril. Was es bräuchte, sei ein wirklicher Gegenwartsbezug von Theologie und Kirche.
Ausführlich sprach Beck über die Gottesdienste nach Großschadensereignissen. Hier gehe es nun nicht darum, nur der Verstorbenen zu gedenken oder mit der persönlichen Not vor Gott zu treten. Entscheidend sei der gesellschaftliche Austausch. In der Unübersichtlichkeit der kollektiven Krisenerfahrung bestehe immer wieder die Erwartung, dass kirchliche Akteure mitwirken. Wird dann aber in der Verkündigung nur aus einer rein kirchlichen Perspektive gesprochen, falle die Beteiligung der Kirche an der Bewältigung der Krisensituation eben aus.
Beck verwies auf die antike Tradition des Rechtes der Bürger in den Versammlungen das freie Wort zu ergreifen und so selbstbewusst auch Probleme zur Sprache zu bringen. Das Selbstbewusstsein aufgrund der eigenen Taufwürde das Wort ergreifen zu dürfen sei nun auch ein ganz zentrales Moment religiöser Kommunikation im Christentum. Ausgehend von dieser Form des christlichen Selbstverständnisses sollte es viele Ereignisse – nicht nur Großschadensereignisse, die aber eben auch – geben, die sich Bahn brechen können in liturgischen Feiern. Jemand, der dann aber bei solchen existentiellen Ereignissen das Wort ergreift, wird spontaner und unmittelbarer reden als in einer irgendwie vorgeprägten Art und Weise.
Oft würden in Gottesdiensten zu einschneidenden Ereignissen die Sprachformen aber eher ausgrenzend klingen. Da heißt es etwa: „Wir als Christen finden hier Trost mit dem Blick auf das Kreuz Jesu.“ Theologisch könne man hier nicht widersprechen. Das Problem sei dabei, dass jemand, der so redet, nicht für alle Anwesenden spricht. Welchen Trost bietet er denen an, die da sind, die aber nicht zum engsten Kreis der Teilnehmenden zählen?
Liturgie wäre zu verstehen als Teil der öffentlichen Kommunikation auch zu Bearbeitung von Krisen, die immer eine Destabilisierung mit sich bringen. Eine Grundversuchung würde es nun sein, wenn die Kirche sich selbst als Stabilitätsangebot vermitteln wollte. Eine solche Verkündigung aber greife zu kurz. Wir müssten akzeptieren, auch selbst Stotternde zu sein angesichts der Krisensituationen der Gegenwart. Dann könnte gelingen, dass die kirchliche Verkündigung tatsächlich wieder an Relevanz gewinnen würde.
In der Diskussion zum Vortrag von Wolfgang Beck kam die Frage auf, inwieweit die „Krisenkommunikation“ sich auch in einem regulären Sonntagsgottesdienst spiegeln könnte. Aber auch dort könne es Themen geben, die mit einem Mal im Vordergrund stehen, weil sie in einer Gemeinde einfach vorhanden sind, und in diesem Fall wäre es gut, der Zelebrant wüsste davon und hätte eine Chance, ins Wort zu bringen, woran sowieso alle denken.
Die Workshops am Nachmittag beschäftigten sich mit einem weiten Spektrum von Aspekten entlang dem Hauptthema der Liturgie in der aktuellen gesellschaftlichen Situation. Nach den Workshops bestand Gelegenheit zum Dialog mit den beiden Referenten des Tages und mit Prof. Andreas Redtenbacher im Rahmen einer Podiumsdiskussion.
Intensiv wurde diskutiert über den tatsächlichen Beitrag der eucharistischen Handlung am Leben der Gemeinde. Ein Teilnehmer stellte fest, dass es viele Bereiche der Pastoral geben würde, wo andere Formen des Gottesdienstes eine größere Rolle spielen und wo auch Gottesbegegnung geschieht. Eucharistiefeiern und andere Formen der Liturgie können einander durchaus ergänzen. Hier wie dort müsste das Ziel sein, die Synodalisierung nicht zu klein zu denken. Es sind immer alle Mitmenschen mit in den Blick zu nehmen, und die anwesende Gemeinde als Subjekt des Gottesdienstes ernst zu nehmen, selbst dann, wenn aus prophetischem Protest der Gemeinde zu widersprechen ist. Entscheidend sei es, als Gemeinde zusammenzukommen, sonst verdünnt der Glaube. Niemand könne allein Christ sein, so Prof. Zulehner mit einem Wort Tertullians.
Prof. em. DDr. Paul Michael Zulehner bei seinem Vortrag „Ecclesia de Eucharistia – Auf dem pastoralen Prüfstand”
Podiumsdiskussion und Plenum unter Moderation von (v.l.n.r.) P. Dr. Jürgen Riegel SAC mit Prof. em. DDr. Paul Michael Zulehner, Prof. Dr. habil. Andreas Redtenbacher CanReg und Prof. Dr. habil. Wolfgang Beck
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